Mit der »EnEV 2013 wurde eine neue Regelung eingeführt: Es sind bis Ende 2015 alle obersten Geschossdecken nachträglich zu dämmen, die nicht die Anforderungen an den Mindestwärmeschutz (R mind. 0,9 m²K/W) nach DIN 4108-2 erfüllen. Bei leichten Holzbalkendecken (ohne Schüttung) müssen alle Holzbalkendecken nachgerüstet werden, die den Mindestwärmeschutz von R mind. 1,75 m²K/W im Gefach nicht erfüllen.

Mit der EnEV 2000 wagte sich der Staat erstmals, eine Anforderung an die Verbesserung der Gebäudehülle zu stellen. In § 9, Abs. 3, der EnEV 2000 hatte der Verodnungsgeber festgelegt, dass "nicht begehbare, aber zugängliche oberste Geschossdecken beheizter Räume" bis zum 31. Dezember 2006 so zu dämmen sind, dass der Wärmedurchgangskoeffizient der Geschossdecke 0,30 W/(m²K) nicht überschreitet. Diese nicht sehr weit gehende Nachrüstungsverpflichtung wurde erst mit der Novelle der EnEV 2009 auf alle ungedämmten obersten Geschossdecken erweitert (§ 10, Abs. 4, EnEV 2009). Da selbst Fachleuten nicht so recht klar war, was unter einer "nicht begehbaren, aber zugänglichen obersten Geschossdecke" genau zu verstehen sei, finden sich schon seit der 4. Staffel von Auslegungsfragen zur EnEV (2003) erklärende Hinweise zu dieser Nachrüstungsverpflichtung. Bisher spielte dieses Thema keine große Rolle, da bis zur EnEV 2009 nur relativ wenige Immobilien von der Regelung betroffen waren. Doch bis zum 31.12.2011 sollen jetzt alle ungedämmten obersten Geschossdecken gedämmt werden. Um sich der Verpflichtung zur Dämmung der obersten Geschossdecken zu entziehen, haben sich einige Eigentümer bereits Gedanken gemacht, wie sie die Unwirtschaftlichkeit der Dämmung begründen können. Denn die Nachrüstungsverpflichtung entfällt, "soweit die für die Nachrüstung erforderlichen Aufwendungen durch die eintretenden Einsparungen nicht innerhalb angemessener Frist erwirtschaftet werden können" (§ 10, Abs. 6, EnEV 2009). Inzwischen wurde die 15. Staffel von Auslegungsfragen zur EnEV veröffentlicht. Nach dieser Auslegung wird unter einer "bisher ungedämmten obersten Geschossdecke" eine Decke verstanden, die den Mindestwärmeschutz nach DIN 4108-2 [2003-07] nicht einhält (Auslegung XV-2 Nr. 4), unabhängig davon, ob eine Dämmschicht vorhanden ist oder nicht.

Spart ein Mindestwärmeschutz Energie?

HolzbalkendeckeFür die klassische Holzbalkendecke mit einem U-Wert von 0,7 bis 0,8 W/(m²K) wäre das Wirtschaftlichkeitskriterium im Sinne der EnEV in der Regel erfüllt. Die nachträgliche Dämmung dieser Konstruktion erreicht auch bei konservativen Annahmen innerhalb von 30 Jahren eine Wirtschaftlichkeit.

Nach Tabelle 3, Zeile 9 DIN 4108-2 [2003-07] muss eine oberste Geschossdecke einen Wärmedurchlasswiderstand von 0,9 m²K/W aufweisen (entspricht einem U-Wert von 0,91 W/(m²K) [U = 1/(Rsi+R+Rse) = 1/(0,10+0,90+0,10)] ). Nach der Definition der Auslegung kann man bei Holzbalkendecken aller Baualtersklassen und massiven Geschosssdecken ab 1969 grundsätzlich davon ausgehen, dass der Mindestwärmeschutz eingehalten ist. Diese Definition führt dazu, dass kaum noch eine oberste Geschossdecke zu dämmen ist, denn der größte Teil der Decken älterer Gebäude wurde als Holzbalkendecke ausgeführt. Nur nach dem Zweiten Weltkrieg wurden oberste Geschossdecken oft als massive Decken ausgeführt. Die Feststellung, dass man bei Einhaltung des Mindeswärmeschutzes nach DIN 4108-2 [2003-07] automatisch von einer gedämmten Decke ausgehen kann, ist allerdings sehr fragwürdig. Denn der Bezug auf den Mindestwärmeschutz als Kriterium wird in der Auslegung nicht begründet. Es wird lediglich darauf verwiesen, "dass der Zweck einer wesentlichen Verminderung von Energieverlusten zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen im Sinne des § 4 Absatz 3 Satz 2 EnEG nicht erreicht werden kann", wenn die Decke bereits gedämmt ist. Der Mindestwärmeschutz soll sicherstellen, dass Tauwasser und Schimmelpilz vermieden werden (Definition unter 3.1.2 DIN 4108-2), er fordert aber keine Dämmung zum energiesparenden Wärmeschutz ein. Deshalb ist der direkte Rückgriff auf den Mindestwärmeschutz nicht sinnvoll. Das ergibt sich aus der Norm selbst, die unter einem energiesparenden Wärmeschutz nach Nr. 3.1.3 DIN 4108-2 [2003-07] eine Maßnahme versteht, "die den Heizenergiebedarf in einem Gebäude oder einer beheizten Zone bei entsprechender Nutzung nach vorgegebenen Anforderungen begrenzt".

Welcher Aufwand ist wirtschaftlich vertretbar?

HolzbalkendeckeMittelwerte der Einsparung der Energiekosten bei Energiepreissteigerungen von 6 %, 8 % und 10 % (Annahmen: aktueller Energiepreis 0,065 €/kWh; Betrachtungszeitraum 30 Jahre; Kapitalzinssatz 4,5 %) im Vergleich zur Annuität der Investitionen (Kosten rund 60 bis 80 €/m² entsprechend der 2011 erschienenen Studie "Wohnungsbau in Deutschland" der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V.). Die untere Achse gibt die U-Werte der bestehenden Konstruktion an. Die Berechnung geht davon aus, dass nach der Modernisierung jeweils ein U-Wert von 0,24 W/m²K erreicht wird. Grundlage für die Ermittlung des Energieeinsparpotentials ist die Berechnung für ein Mehrfamilienhaus nach Anhang C DIN PAS 1027 [2004-02] mit einem Brennwertkessel nach DIN V 4108-6 [2003-06] und DIN V 4701-10 [2003-08].

Eine fachlich fundierte Auslegung müsste auf der Grundlage der EnEV und des EnEG einen Rahmen abstecken, der als wirtschaftlich vertretbar erscheint, eine oberste Geschossdecke zu dämmen. Um die Wirtschaftlichkeit zu ermitteln, greift man im Allgemeinen auf das dynamische Verfahren nach VDI 2067 beziehungsweise LEG zurück. Mit diesem Verfahren soll hier kurz untersucht werden, wie gut eine oberste Geschossdecke im Bestand dämmen darf, damit sich eine nachträgliche Dämmung noch lohnt. Denn je geringer die Differenz zwischen dem U-Wert der bestehenden Decke und der energetisch modernisierten Decke, desto geringer ist die Energieeinsparung und damit auch die Wirtschaftlichkeit.
Die Investitionskosten ändern sich durch eine verringerte Dämmschichtdicke nicht wesentlich. In der Grafik wurden die Mittelwerte der möglichen Energieeinsparung für verschiedene Szenarien von Energiepreissteigerungen dargestellt. Vergleicht man diese Werte mit der Annuität der Investitionskosten, so ergibt sich selbst bei konservativen Ansätzen eine Wirtschaftlichkeit der Investition, wenn die bestehende Konstruktion einen U-Wert aufweist, der deutlich unter dem Mindestwärmeschutz liegt (das sind U-Werte von 0,48 bis 0,77 W/(m²K), das entspricht R = 1,1 bis 1,9 m²K/W). Anstatt Konstruktionen, die auf jeden Fall noch wirtschaftlich zu dämmen sind, bereits als gedämmte Konstruktionen anzusehen, wäre es sinnvoller gewesen, die Schwelle zu benennen, ab der unter üblichen Rahmenbedingungen bei einer zusätzlichen Dämmung keine Wirtschaftlichkeit mehr zu erwarten ist. Man hätte sich hier zum Beispiel auf die Mindestanforderungen der Wärmeschutzverordnung 1977 beziehen können. Denn diese Verordnung hatte erstmalig das Ziel, den Heizenergiebedarf zu begrenzen und nicht nur Tauwasser und Schimmelpilz zu vermeiden. Der Grenzwert der WSchV 1977 von U = 0,45 W/(m²K) entspricht etwa dem Wert, bei sich eine nachträgliche Dämmung als gerade noch wirtschaftlich erweist. Alle Eigentümer, die nachweisen können, dass eine Dämmung bei Ihrer Immobilie prinzipiell nicht wirtschaftlich ist, wären ohnehin von der Nachrüstungsverpflichtung befreit.

Auslegungsfragen demontieren die EnEV

Für den Vollzug der Energieeinsparverordnung (EnEV) sind die Länder zuständig. Um im Vollzug eine möglichst einheitliche Anwendung der Energieeinsparverordnung zu ermöglichen, hat die Fachkommission "Bautechnik" der Bauministerkonferenz beschlossen, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die Anfragen zur EnEV beantworten soll. Die Entwürfe der Arbeitsgruppe werden dann in den Sitzungen der Fachkommission beraten und beschlossen. Die Arbeitsgruppe besteht aus Vertretern des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, der Obersten Bauaufsichtsbehörden der Länder Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg und Nordrhein-Westfalens sowie des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt). Die Antworten zu Auslegungsfragen veröffentlichen das DIBt und BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung). Bisher wurden 15 Staffeln von Auslegungsfragen beantwortet.

Leider wird durch diese Auslegung die Regelung der EnEV ad absurdum geführt. Denn die Anzahl der nun noch nachzurüstenden Decken wird verschwindend gering sein. Zudem wird der Öffentlichkeit suggeriert, dass eine wirtschaftliche Dämmung der meisten obersten Geschossdecken nicht möglich ist. Dabei hat die Regierungskoalition gerade erst in ihrem Energiekonzept (Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung vom 28.9.2010) festgestellt, dass eine Verdoppelung der Sanierungsrate des Gebäudebestandes notwendig ist und die Instrumente zur Erreichung der Sanierungsziele weiterentwickelt werden müssen. Durch die Auslegung mit bezug auf den Mindestwärmeschutz wird jedoch gerade das Gegenteil erreicht. Die energetische Modernisierung oberster Geschossdecken wird weiter verzögert. Es wird so getan, als wäre eine Dämmung nach den Anforderungen des Mindestwärmeschutzes im Bestand völlig ausreichend und die energetische Verbesserung wirtschaftlich nicht sinnvoll.
Freuen können sich viele Eigentümer, die gerade kein Geld für die energetische Verbesserung ihrer Immobilie ausgeben wollen oder können. Sie können darauf verweisen, dass sie aufgrund dieser Auslegung von Ihrer Pflicht zur Dämmung der obersten Geschossdecke befreit sind. Dabei ist die Dämmung der obersten Geschossdecke auch dann energetisch sinnvoll und wirtschaftlich, wenn sie dem Mindestwärmeschutz nach DIN 4108-2 [2003-07] entspricht. Will die Bundesregierung tatsächlich die selbst gesteckten Ziele ihres Energiekonzepts erreichen, muss ein Umdenken vom Mindestwärmeschutz zum energiesparenden Wärmeschutz einsetzen. Denn das Ziel für den Gebäudebestand sollte langfristig das Niedrigstenergiegebäude im Sinne der europäischen Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden sein (EPBD 2010 – Richtlinie 2010/31/EU).

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